Renate Alles ist Mannschafts-Europameisterin

Friesenheimerin holt Gold mit Deutschland nach dramatischem 5:4-Finalsieg

Friesenheim/Kent. EM-Finale im Degenfechten der Damen. Deutschland liegt 3:4 gegen Österreich zurück. Die Friesenheimerin Renate Alles muss zusehen, wie ihrem Team Gold aus den Fingern gleitet. Die Sekunden laufen gnadenlos herunter. Noch fünf, vier, drei – dann der verzweifelte letzte Angriff zwei Sekunden vor dem Ende der Kampfzeit: Treffer! Das deutsche Team jubelt – Renate Alles jubelt. Ihr Team ist noch im Rennen um Gold.

Renate Alles EM Kent Deutsche Mannschaft 2Im britischen Kent wurden sie ausgetragen, die Titelkämpfe der Fecht-Veteranen. Für Renate Alles war es bereits die vierte Teilnahme an der Mannschafts-EM. Als Führende der deutschen Rangliste war sie in diesem Jahr gesetzt. Mit neuen Gesichtern ging es an den Start: Babett Woiters (Leipzig) und Annette Thrum (Stuttgart) gaben ihr Debut im Dress der Nationalmannschaft. Manuela Speer (Leipzig) nahm zum zweiten Mal teil. Frauke Hohlbein aus Neuss war die einzige etablierte Fechterin neben Alles in der Mannschaft.

Guter Start in der Vorrunde

In der Vorrunde erwischten die Deutschen einen guten Start und setzten sich deutlich gegen Österreich 7:2 und Irland 8:1 durch. Bei der anschließenden 4:5-Niederlage gegen Schweden zeigte sich, dass noch nicht alle Räder im neu zusammengestellten Team ineinander griffen. An Position zwei für die 16er-Direktausscheidung gesetzt, gab es für das Team zunächst ein Freilos. Das K.o. wurde im Modus „Best-of-nine“ ausgetragen – anders formuliert: Wer zuerst fünf Siege hatte, zog in die nächste Runde ein.

Im Viertelfinale gegen England gab es für Renate Alles ein Wiedersehen mit Georgina Usher – jene Gegnerin, der sie im Einzel-EM-Finale 2015 deutlich unterlegen war. Im Team mit der Nationalmannschaft bekam die Friesenheimerin ihre Revanche: Mit 5:1 setzte sich Deutschland klar durch und zog ins Halbfinale ein. Es ging gegen Schweden.

Renate Alles brachte ihr Team mit einem 5:4-Sieg 1:0 in Front. Babett Woitas erhöhte durch ein 5:3 auf 2:0. Doch eine Schwedin stemmt sich gegen die Niederlage: Kerstin Wuopio besiege zunächst Frauke Hohlbein, dann Renate Alles, und verkürzte den Abstand. Nachdem Deutschland erneut in Führung ging, entschied Wuopio auch ihr drittes Gefecht zu ihren Gunsten. Deutschland blieb in dieser Situation ruhig und konzentrierte sich auf die anderen Team-Mitglieder Schwedens. Die Strategie ging auf, und die Mannschaft zog durch einen 5:3-Erfolg ins Finale ein.

Herzschlagfinale gegen Österreich

Das Duell im Gold war nichts für schwache Nerven. Österreich hatte sich überraschend bis ins Finale vorgekämpft, und nachdem Deutschland bereits in der Vorrunde deutlich gesiegt hatte, war die Rollenverteilung klar. Renate Alles ging wie das ganze Turnier über als Erste auf die Fechtbahn. Ihren Ein-Treffer-Vorsprung verteidigte sie clever und holte mit einem 2:1-Sieg nach Zeitablauf den ersten Punkt für Deutschland. Nach dem Ausgleich für Österreich brachte Frauke Hohlbein ihr Team erneut auf Gold-Kurs, nachdem sie ihre Gegnerin 5:2 besiegt hatte.

Renate Alles EM Kent Deutsche Mannschaft 15Es folgten zwei unerwartete Niederlagen, Babett Woitas und auch Renate Alles mussten je ein Gefecht abgeben, so dass das deutsche Team plötzlich 2:3 zurücklag. Hohlbein schaffte zwar den Ausgleich, doch auch das nächste Duell ging verloren. Österreich war nur noch einen Sieg vom Titel entfernt. Erneut lastete der Druck auf Frauke Hohlbein, die im möglicherweise entscheidenden Kampf antreten musste. 3:3 stand es nach dem Ablauf der Zeit. Das Gefecht ging in die Verlängerung. Fällt im Fechten nach Ablauf der Verlängerungsminute kein Treffer, gewinnt die Mannschaft, die Vorteil zugelost bekommt. Und der Vorteil ging an Österreich. Sekunden vor dem Ende setzte Hohlbein zum entscheidenden Angriff an – und traf. 4:3 gewann sie das Gefecht, glich damit zum 4:4 aus und verschaffte Deutschland den Finalkampf im Finale.

Es lag nun an Renate Alles, ihr Team zum EM-Titel zu führen. Nach 0:1 und 1:2-Rückstand drehte die TSG-Fechterin auf, setzte zunächst den Ausgleich und ging dann 3:2 in Führung. Geduldig wartete sie auf ihre Chancen, traf zum 4:2 und krönte ihre Leistung anschließend mit dem 5:2-Siegtreffer. Deutschland war Europameister. „Spannender hätten wir es nicht machen können, aber wir sind am Ziel“, sagte sie kurz nach dem Finale – und das sichtlich erleichtert. „Unsere Stärke war die ausgeglichene Mannschaftsleistung. Wenn eine in einem Kampf geschwächelt hat, haben die anderen beiden das ausgeglichen“, so die TSG-Fechterin weiter. Für Alles war es bereits die sechste EM-Medaille, die vierte davon in der Team-Wertung. Gold gab es allerdings bisher nur einmal: 2012 in Schweden.

Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt nach dem Titel allerdings nicht. Bereits am 26. Mai geht es weiter mit dem Degenpokal in Friesenheim, zugleich Ranglistenturnier des Verbandes Südwest. Am 18. Juni fährt die Friesenheimer Damenmannschaft als amtierender Titelträger zum Finale des Deutschland-Pokals in Stralsund – mit einer Europameisterin in ihren Reihen. dpla